Die von den Freiern an d¡e Prostituierten gezahlten ,,Stichgelder" können der ,,Artemis GmbH" nicht unproblematisch als Drittlohnzahlung zugerechnet werden, auch wenn deren Höhe (abstrakt) für alle Frauen einheitlich vom "Artemis" vorgegeben wurde. Denn der Freier bezahlte (nur) die konkrete, ihm gegenüber erbrachte sexuelle Dienstleistung der Prostituierten, nicht das Bereithalten der Frau zur Erbringung derselben im ,,Artemis". Die an die Prostituierte - d¡e das Geld in voller Höhe behielt - erfolgenden (,,Stichgeld"-)Zahlungen der Freier standen nach
den ermittelten Gesamtumständen auch nicht im wirtschaftlichen lnteresse der Betreiberin des ,,Artemis", denn diese partizipierte nicht an ihnen.
Vielmehr haben - umgekehrt - die Prostitu¡erten vor Aufnahme der Tätigkeit im ,,Artemis" ein ,,echtes" Eintrittsgeld an die ,,Artemis GmbH" entrichtet. Durch dessen Zahlung ist ein (gegenseitiger, entgeltl¡cher) Benutzungsvertrag (mit Kauf- und Dienstvertragselementen) zwischen der Prostituierten und der ,,Artemis GmbH" zustande gekommen, wobei die Vergütungspflicht aus dem Vertrag bei der Prostituierten und nicht bei der "Artemis GmbH" lag. ln Bezug auf dieses Vertragsverhältnis galt sowohl hinsichtlich des ,,Ob" des Vertragsschlusses und der
Auswahl des Vertragspartners als auch hinsichtlich seiner Ausgestaltung der zivilrechtliche Grundsatz der Vertragsfreiheit. Wie der Betre¡ber eines Einkaufszentrums den sich dort einmietenden Einzelhändlern und Dienstleistern im lnnenverhältnis ,,vorschreiben" kann, dass diese ihr Geschäft während der einheitlichen Center-Öffnungszeiten (ebenfalls) für den Publikumsverkehr offen zu halten haben, ist auch eine Vereinbarung zwischen dem Betreiber eines
bordellartigen Betriebes und der dort (selbständig) tätigen Prostituierten denkbar, nach der die Prost¡tu¡erte verpflichtet ist, ¡hre sexuellen Dienstleistungen für die
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komplette Dauer (mindestens) einer ,,Schicht" (neun Stunden pro Tag) den männlichen Gästen des "Artemis" anzubieten, wenn sie sich zur Arbeitsaufnahme an diesem Tag grundsätzlich entschieden und (deshalb) den Eintritt bezahlt hat. Eine darüber hinausgehende (einseitige) Festlegung von Arbeitszeiten für die im ,,Artemis" tätigen Prostituierten - im Sinne eines ,,Schichtplanes", wie es ihn für Reinigungs- und Tresenkräfte, "Hausdamen" und Mitarbeiter der Security gab - gab es nicht.
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In der Wahl ,,ihrer Schicht" waren aber auch sie frei. Alle Prostituierten konnten zudem - worauf auch das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss hingewiesen hat - jederzeit und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist ihre Tätigkeit im "Artemís" beenden. Gleiches gilt für die Vereinbarung einer bestimmten "Kleiderordnung", wobei bereits die Bezeichnung des "Artemis" als ,,FKK(-Sauna-) Club" ein unbekleidetes Täitigwerden der dort ihre sexuellen Dienste anbietenden Frauen nahe legt.
Angesichts des Umstandes, dass die Prostituierten im ,,Artemis" in jedem Falle von ihrem Freier (in bar) bezahlt wurden und die gesamten direkt vereinnahmten "Stichgelder" auch behalten und keinen Anteil daran, ganz gleich ob prozentual oder betragsmäßig festgelegt, an die ,,Artemis GmbH" oder ihre Geschäftsführer abgeführt haben, ist mit einiger Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sie neben dem
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Benutzungsverhältnis mit der ,,Artemis GmbH" e¡n (gegenseitiges)
Leistungsverhältnis mit dem einzelnen Freier begründet haben, in welchem sich die Entgeltforderung der Prostitu¡erten (allein) gegen den Freier richtet, dem gegenüber sie die vere¡nbarte sexuelle Le¡stung erbr¡ngt.
b) Zudem ist das Arbeitsverhältnis im sozialversicherungsrechtl¡chen Sinne - wie auch grundsätzlich das Dienstverhältnis im lohnsteuerrechtlichen Sinne (§ 1 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LSTDV) - ein Dauerschuldverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Zwischen der einzelnen Prostituierten, die im "Artemis&
039;- ihre sexuellen Dienstleistungen anbot und der Betreiberin des "Artemis"
bzw. ihren Geschäftsführern wurde aber kein - über die mit der Eintrittszahlung getroffene Vereinbarung für den aktuellen Tag (bei auswärtigen Prostituierten verbunden mit einer Option für die auf diesen folgenden vier Tage) hinaus gehendes - Dauerschuldverhältnis begründet.
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