Der Kampf gegen die Prostitution
Seit geraumer Zeit versuchen Prostitutionsgegner den käuflichen Sex mit gesetzgeberischen Mittelnzu verbieten. Zunächst forderten sie ein gesetzliches Verbot.Irgendwann kristallisierte sich dann heraus, dass ein solches Verbotunvereinbar wäre mit der im Grundgesetz garantierten Freiheit derBerufsausübung:
https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_12.html
Im Festhalten an ihren Zielen kam denGegnern das zunächst in Schweden entwickelte Modell einer„Freierbestrafung“ gerade recht. Dieses Modell wurde nachfolgendauch in anderen Ländern in Nordeuropa eingeführt und trägt deshalbdie Bezeichnung „Nordisches Modell“.
Das „Nordische Modell“
Bei diesem Konstrukt bleibt dieProstitution formalrechtlich erlaubt. Die Prostitutionsgegnerglauben, damit die Klippe des grundgesetzwidrigen Berufsverbotserfolgreich umschifft zu haben.
Statt dessen werden die Kunden derProstituierten mit Strafe bedroht, wenn sie Prostitutionsleistungen,also sexuelle Dienstleistungen gegen Entgelt (§ 2 Abs. 1 Satz 1ProstSchG), in Anspruch nehmen. Dadurch hoffen sie, denLebensbereich Prostitution austrocknen zu können, weil die nach wievor erlaubten Angebote aus Angst vor Strafe gemieden werden und auswirtschaftlichen Gründen dann von selbst verschwinden werden. Diesgilt natürlich insbesondere für Bordelle aller Art, die allein zurDeckung ihrer Kosten eine bestimmte Mindestzahl von Kunden(weiblich/männlich) benötigen.
Dass die „Freierbestrafung“ einBerufsverbot durch die Hintertür ist, stört die Verfechter nicht.Sie halten es für verfassungsgemäß, dass eine Berufsausübungnahezu vollständig verhindert wird, indem man die Annahme der mitder Berufsausübung verbundenen Leistung unter Strafe stellt!
Allein das eigentlich jedem Bürgerzuzubilligende Rechtsgefühl sollte hier bereits Alarm schlagen. Fürein solches Rechtsgefühl braucht man kein Studium und auch keinAbitur. Es genügt der gesunde Menschenverstand!
Grundrechtsschutz und Reichweite –Vergleichsfall Sterbehilfe
Mit Einführung des § 217 hat derBundestag ein weitgehendes Verbot der gewerblichen Sterbehilfeerlassen:
https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__217.html
Unmittelbar Betroffene (Fachterminus„Normadressat“, Norm hier generell als Synonym für Gesetz zubetrachten) sind gewerbliche Anbieter von Dienstleitungen zurSterbehilfe.
Gegen diese neu eingeführte Normwurden mehrere Verfassungsbeschwerden erhoben, darunter auch vonsterbewilligen Menschen, die ja in dem Gesetz gar nicht genannt sind,also keine Normadressaten sind. Sie sind aber fraglos betroffen, denndas Verbot hat unmittelbare Auswirkungen auf ihre Möglichkeiten, ihrLeben selbst bestimmt zu beenden.
Wir sehen also, gesetzliche Regelungenkönnen nicht nur die Normadressaten selbst beeinträchtigen,sondern in der Folge auch weitere Personen, die in der Norm gar nichtgenannt sind.
Analogie zum „Nordischen Modell“ Die Prostituierte und die Bordellbetreiber sind zwar nicht Normadressaten, die Folgen der Freierbestrafung treffen sie aber sehrwohl in ihren Freiheitsrechten gem. Art. 12 GG.
Die verfassungsrechtliche Frage lautetalso:
Beschränkt sich der Grundrechtsschutzauf die Normadressaten allein – oder erstreckt er sich auch aufdiejenigen (hier Prostituierte, dort Sterbewillige), die von den zuerwartenden Verhaltensänderungen betroffen sein werden in einer Artund Weise, dass dies einem normativen und direkten Eingriff, also etwa einem direkten Prostitutionsverbot, gleichkommt?
Urteil zu Sterbehilfe
Das Bundesverfassungsgericht hat § 217StGB für nichtig erklärt:
https://www.bundesverfassungsgericht...cationFile&v=7
In der Urteilsbegründung wird die o.g.Frage in der Weise beantwortet, dass sich der Grundrechtsschutz nichtauf die Normadressaten allein beschränkt: Randnummer 215
„Der Grundrechtsschutz ist nicht aufunmittelbar adressierte Eingriffe beschränkt. Auch staatlicheMaßnahmen, die eine mittelbare oder faktische Wirkung entfalten,können Grundrechte beeinträchtigen und müssen daher vonVerfassungs wegen hinreichend gerechtfertigt sein. Sie können inihrer Zielsetzung und Wirkung einem normativen und direkten Eingriffgleichkommen und müssen dann wie ein solcher behandelt werden (vgl.BVerfGE 105, 252 <273>; 110, 177 <191>). „
Randnummer 204:
„Das Recht des zur freienSelbstbestimmung und Eigenverantwortung fähigen Menschen,sich dasLeben zu nehmen, ist vom Gewährleistungsgehalt des allgemeinenPersönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG)umfasst. „
Hieraus folgt (Randnummer 214):
„§ 217 StGB greift in dasallgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführer zu I. 1., I.2. und VI. 5. ein, auch wenn sie nicht unmittelbare Adressaten des §217 StGB sind“
Analogie zum „Nordischen Modell“ie Freierbestrafung greift in die Berufsfreiheit der Prostituiertenund der Bordellbetreiber ein, auch wenn sie nicht unmittelbarAdressaten der Vorschrift sind!
Sie wären deshalb auch klagebefugt(„aktivlegitimiert). (Vgl. Randnummer 194)
Schon allein aus den vorgetragenenGründen wäre eine wie auch immer formulierte „Freierbestrafung“für nichtig zu erklären.
Um den Post nicht zu überfrachtenhabe ich mich auf die Prüfung dieses einzelnen Punkts beschränkt.
Man könnte aus verfassungsrechtlicherSicht noch weitere Einwände gegen das Nordische Modell erheben:
Da wäre z.B. ob eine solche Norm nichtunzulässig in die Persönlichkeitsrechte (= Freiheitsrechte) vonFreiern eingreift, die eben garantieren, dass jeder sein Leben sogestalten kann, wie er will und dabei nur soweit Einschränkungenunterworfen werden kann, dass er Rechte Dritter nicht verletzt. Esist ein weit verbreiteter Irrtum zu glauben, der Staat könneVerhaltensweisen verbieten, wie es ihm gerade beliebt. Er kann mirverbieten, jemanden umzubringen, weil das in das Recht auf Leben desOpfers eingreift, aber er kann mir nicht verbieten, links eine roteund rechts eine grüne Socke zu tragen, denn damit sindverfassungsrechtlich garantierte Werte Dritter nicht verletzt! Nurweil sich da jemand dran stören kann, ist das noch längst nichteine Beeinträchtigung.
Auch die Berufsfreiheit derProstituierten ist Teil ihres Rechts, das Leben, damit auch dasErwerbsleben, so zu gestalten, wie sie will. Namentlich verletzt dieProstituierte (wie auch der Bordellbetreiber) nicht dieverfassungsmäßigen Rechte Dritter!
Ein weiterer Einwand wurde schonsinngemäß im Bär-Thread erwähnt: Das sog. Übermaßverbot.
Vergleiche hier die Randnummern 265 bis267 im Urteil!
Auch sind Missstände in einzelnenLebensbereichen kein Grund für ein komplettes Verbot!
Vergleiche hier den Straßenverkehr:Kein Mensch käme auf die Idee, das Autofahren zu verbieten, nur weilein paar Idioten und Unbelehrbare unterwegs sind. Es wäreunverhältnismäßig.
Dass es im „ältesten Gewerbe derWelt“ auch Missstände gibt, wird niemand bestreiten. Aber einVerbot – ob direkt oder indirekt - wäre unverhältnismäßig, dieMissstände können auch anders bekämpft werden, es gibt dazu auchgenügend Gesetze!
Deshalb rufe ich die Prostitutionsgegner auf:
Beerdigt das nordische Modell, arbeitet statt dessen an der Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Prostituierten. Nehmt die Betroffenen mit ins Boot, anstand ständig nur über sie zu reden!
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